Unmittelbarkeit des Kunstwerkes versus Unvermittelbarkeit des Lebens?
Eine der prägendsten Erfahrungen, mit denen ein Künstler fertig werden muss, ist die des Scheiterns. Selbst ein Michelangelo oder ein daVinci haben es mit dem unlösbaren Problem zu tun gehabt, dass Leben und Kunst eben dann doch nicht dasselbe sind, dass die Differenz zwischen Original (Leben) und Fälschung (Kunst) eigentlich IMMER spürbar bleibt.
Dennoch haben es vor allem die großen Meister der Kunstgeschichte sehr oft fertig gebracht, Objekten und Bildern eine erstaunliche Lebendigkeit mit einer enormen suggestiven Kraft und Energie zu verleihen - in vielen Fällen (vor allem der alten Meister) gelingt dies sogar so gut, dass man (fast) vergisst, dass das Gezeigte in Wahrheit mausetot und uns gegenüber vollkommen gleichgültig ist.
Ich selbst habe einmal in einem Museum sehr lange vor einem Portrait gestanden und gemeint, nicht nur zu wissen, wie die Person in der dargestellten Geste, sondern wie diese auch in vollkommen anderen (eben nicht dargestellten) Situationen ausgesehen haben mag. Und ich war der tiefen Überzeugung, ganz genau zu wissen, dass es sich um keinen glücklichen, sondern um einem sehr tragischen Menschen handelte - dies sogar, obwohl die dargestellte Figur leise lächelte.
Oft wird gesagt, man würde in Bildern nur sehen können, was man IN SICH SELBER trägt. Dies ist einerseits richtig, denn in der Unmittelbarkeit von Kunstwerken (als konkretes sinnliches Objekt) steckt immer auch die Unvermittelbarkeit von Erfahrungen, die sich außerhalb von diesen abspielen - genau genommen wird in den Werken jedoch auf eine faszinierende Weise und oft auch erschütternd klar DER KÜNSTLER zu uns sprechen.
So ist auch das besagte Portrait ein Resultat von Entscheidungen, etwa dem Pinselstrich, die Lichtsetzungen, die raffinierte Farbwahl, die Betonungen und Auslassungen, die Proportionen und Arrangements, selbst durch die sensible Wahl des Rahmens. Dies alles ist SEHR KONKRET - und könnte in seiner Beredtheit spielend für ein komplettes Theaterstück herhalten!