Was wäre, wenn Picassos Stiere sich niemals haben einrahmen lassen?

Das innerhalb der Bildenden Künste die so genannte „Klassische Moderne“ noch immer nicht aus der Mode gekommen ist - man denke nur an die irrwitzigen Preise, die bei Auktionen erzielt werden -, liegt oft gerade nicht an den in den Kunstwerken verhandelten Inhalten, sondern an einer Mythenbildung, die genau dort Glaubensbekenntnisse einfordert, wo eigentlich eine radikale Bewirtschaftung des Zweifels nötig wäre.

Kaum jemand, der z.B. ein Werk von Picasso erwirbt, dürfte sich ernstzunehmende Gedanken darüber machen, was genau uns dieser Künstler eigentlich sagen wollte - in aller Regel geht es innerhalb einer kulturellen Selbstbeschreibung lediglich um ein Prestige, deren höchster Wert eine veräußerlichte „Bestandssicherung“ darstellt.

Das diese Haltung rein gar nichts mit guten Kunstwerken zu tun hat, erkennt man u.a. auch an Picassos Liebe zum Motiv des Stieres, der in unzähligen Varianten von dem Spanier thematisiert wurde. Hierbei handelt es sich ja nicht primär um die Fantasie eines übersteigerten männlichen Selbstbewusstseins, sondern um eine Auseinandersetzung mit dem Animalischen, DEM TIER IN JEDEM MENSCHEN - jenem durch und durch unheimlichen Geschöpf, welches vor unbändiger Zeugungskraft strotzt, zugleich aber auch das Potenzial einer tödlichen Selbstzerstörung in sich trägt.

Picasso verleiht damit nicht nur sich, sondern der Natur als solcher eine Stimme - eine, deren unnachgiebiger Klang selbst dem allerschwersten Aktionärs-Panzerschrank entkommt. Und zwar spielend leicht entkommt.

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Unmittelbarkeit des Kunstwerkes versus Unvermittelbarkeit des Lebens?

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Wenn es zäh wird, fehlt das Feuer. Wenn es gar nicht läuft, das Öl.