Es ist nicht der Vorzug der Jugend, an „der“ Welt mit ihren rationalisierenden Vernunft- und Ordnungsansprüchen zu leiden. Denn gerade mit fortschreitendem Alter wird immer deutlicher, dass der alleinige Weg jener in der Tat sehr vielseitig eingeforderten Rationalität eine seelische Sackgasse ist, welche nur allzu oft einer Logik folgt, die das Lebendige und damit auch das produktiv Irrationale vollkommen aus dem Blick zu verlieren droht.
Dennoch wird oft versucht, Künstler als „Dramaqueens“ zu denunzieren, als solche, die „übertreiben“ oder Dinge in unverhältnismäßiger Weide „künstlich inszenieren“. Was diese Kritiker übersehen ist (einmal ganz abgesehen von der weit verbreiteten Unwilligkeit, Fragen an den Künstler zu stellen), dass sie selbst bereits vollkommen im Reich der Rationalität, im Reich der abstrakten Ideen und moralischen Imperative gefangen sind - würden diese nur einmal wirklich ernsthaft in sich hineinhorchen, würden Sie begreifen, dass ihr Maßregelungsversuch (…oft sogar auch eine Maßregelungswut) lediglich eine Abwehrhaltung gegenüber den eigenen Versäumnissen ist.
Ich will hier nicht so weit gehen, diesen emotionalen Selbstverweigerern eine Haltung zu attestieren, die in ihrer Tendenz einen Begriff wie die „Entartete Kunst“ zu reaktivieren versucht. Dennoch birgt deren äußerst unterentwickelte Schmerztoleranz gegenüber allem, was nicht dem eigenen Weltzugang entspricht, durchaus eine populistische Gefahr wo versucht wird, ausgerechnet diejenigen zu marginalisieren, die eigentlich ins heiße Zentrum unserer menschlichen Aufmerksamkeit gehören: Wo sonst können wir lernen, wer wir sind - oder auch sein könnten?
Das eine Welt ohne Kunst eine verarmte Welt wäre, ist schnell daher gesagt. Wirklich verständlich wird diese Behauptung aber erst dann, wenn wir unsere Abwehrhaltung eben gerade NICHT generalisieren, sondern wenigstens VERSUCHEN, dem Potenzial individueller Kreativität nachzuspüren…