In Kunst und Philosophie gibt es wohl keinen Begriff, der umstrittener ist, als den der „Wahrheit“. Für manche beschreibt er schlicht die unmittelbare sinnliche Wahrnehmung, die sich prinzipiell nur „gebrochen“ durch Zeichen, Symbole, Formen, Bilder etc. mitteilen lässt. Andere wiederum betrachten den Begriff grundsätzlich als ideologisch aufgeladen, da immer ein intellektuelles Konstrukt - welches zu Unrecht suggeriert, dass die Gleichung „These plus Antithese gleich Synthese“ immer im Sinne einer Wahrheitsfindung lückenlos aufgeht. Und dann gibt es natürlich auch noch jene „Bauchmenschen“, die sowieso immer ganz genau wissen, was „wahr und richtig“ ist.
Unbestreitbar ist, dass man als Künstler ohne diesen Begriff nicht auskommen kann - und zwar ganz gleich, auf welcher Ebener dieser bei der Erschaffung von Werken mitschwingt. Dies liegt daran, dass man als Künstler den Anspruch hat (und einzige Legitimation), SINN zu produzieren und damit immer so etwas wie RELEVANZ. Sinn und Relevanz hat allerdings nur etwas, was mich als Mensch unleugbar angeht, was mir beim besten Willen nicht gleichgültig sein KANN. Kurz: Es geht um die elementaren Bedingungen unseres Seins (Conditio humana) - Tod, Liebe, Ängste gehören zum Beispiel dazu.
Nun gibt es aber in der Bibel jene Warnung, wonach man sich „kein Bild von Gott machen“ möge. Und es ist kein Zufall, dass es bis heute im Islam ein Bilderverbot gibt. In beiden Fällen ist die Begründung, nur „Gott allein“ kenne „die“ Wahrheit, als Mensch sei man damit hoffnungslos überfordert. Und in der Tat: Als Künstler kann man schnell in die Falle tappen, etwas „Absolutes“ und damit alle Widersprüche umfassendes darstellen zu wollen, was tatsächlich noch niemandem gelungen ist - man müsste ja Gott höchstpersönlich sein (sofern es diesen gibt).
Und dann noch das Problem von Komplexität und Reduktion. Je „größer“ ich denke, umso „unwahrscheinlicher“ werden die Bilder, je „kleiner“ ich denke, umso „unwahrer“ (man vergleiche die physikalischen Prozesse der “Unschärferelation”), Kurzum: Aus dieser Nummer kommt man nur heraus, indem man das Kunstmachen als ein produktives SPIEL begreift - die Gefahr jedoch, dass es eines mit dem (sich selbst verzehrenden) Feuer wird, ist groß: Die Suche nach “Wahrheiten” bleibt somit Fluch und Segen zugleich.