Kunst: Ein endloser Kampf zwischen Moralkörper und Körpermoral.

Im Zentrum jeder humanistisch orientierten Kunstkritik steht die Frage, ob und wie ein Artist den gesellschaftlichen Schuldschein begleicht: Trägt er in irgendeiner Form dazu bei, für uns relevante Fragen zu stellen, ist er in der Lage, Perspektiven unserer Existenz aufzuzeigen, die uns emotional oder auch intellektuell angehen und die möglicherweise an keiner anderen Stelle sichtbar werden können - von diesen Bewertungskriterien hängt es ab, ob der Künstler für ein Gemeinwesen tatsächlich einen Wert besitzt oder eben nicht.

Dieser „Moralkörper“ unserer westlich geprägten Gesellschaft ist allerdings alles andere als selbstverständlich. Denn immer öfter sehen wir Werke, die sich dieser unausgesprochenen ethischen Forderung entweder gar nicht bewusst sind oder aber sich ihr erfindungsreich entziehen. Im ersteren Fall entsteht dabei lediglich Dekoration, die sich nicht selten als „Abstraktion“ zu behaupten versucht - manchmal durchaus mit ästhetischen Zufallstreffern, die zumindest für die eine oder andere Überraschung gut sind. Im zweiten Fall geht es den Machern ausschließlich um Manipulation, bei der mit der Unwissenheit und damit auch mit der Unvorsichtigkeit des Publikums gerechnet wird - die Devise lautet hier oft: Hast du nichts zu sagen, dann musst du eben verwirren.

Das wir beide Mängel identifizieren können, liegt an etwas sehr Essenziellem, etwas, welches sich letztlich niemals unter den Tisch der wahrnehmenden Wirklichkeit kehren lässt: Der Körpermoral. Gemeint ist damit jene unabweisbare und sämtliche von hochkomplexen Nervenbahnen getragene (Lebens-)Energie, die uns EIGENTLICH sehr zuverlässig sowohl Differenzen wie auch Begrenzungen (zu uns selbst, zur Umwelt) gewahr werden lassen. Mehr noch: Körpermoral und Moralkörper bedingen einander, sodass der reflexive Aussparen eine der beiden Seiten zu allem Möglichen führen wird, nur eben definitiv nicht zu einer die Wirklichkeit beschreibenden Kunst. 

Die wichtigste Selbstverpflichtung eines an Aufklärung orientierten Künstlers besteht also in der Rechtfertigung eines Handelns, welches IMMER Differenzen und hierdurch latent vollkommen unabsehbare Wirkungen erzeugt - und nur das Ausmaß dieser hierdurch im Kunstwerk enthaltenen seelischen Spannung ist der Gradmesser für dessen Qualität. Lassen wir uns also nicht leichtfertig täuschen.

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Die Lust an der Form, die Last mit der Form - nicht nur des Künstlers Drama.

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“Dreck”, “Abfall”, “Chaos”: In der Kunst der Nährboden jeder Weiterentwicklung.