Die dünnen Häute der Kunst machen durchlässig - für gute und ungute Erfahrungen.

Um Kunst zu machen, braucht man belastbare Nerven. Denn nichts wäre kontraproduktiver, als aus der Position einer vermeintlich souveränen Überlegenheit (welche immer Distanz und Abwehr intendiert), Dinge in Szene setzen zu wollen. Nur indem ich mich als Person ANGREIFBAR und damit DURCHLÄSSIG für innere und äußere Einflüsse mache, können Werke entstehen, die tatsächlich etwas OFFENLEGEN anstatt etwas zuzudecken.

Unsere heutige Welt ist demgegenüber inflationär mit ebenso nichtssagenden wie schweigenden Dingen und Ideen vollgestellt, die sich jeder existentiellen Fragestellung verweigern. Als Künstler will man jedoch eben genau dieses Schweigen durchbrechen, will hinter den vielfältigen (Lebens-)Formen kommen - die zumeist eine Sprache sprechen, die es erst noch zu erlernen gilt.

Natürlich könnte man zunächst meinen, dass auch in der Kunst tendenziell immer nur vergegenständlichende Oberflächen entstehen (diesmal eben in Form von Bildern, Bildhauereien etc.), die tot und verschlossen sind, an der wir darum tendenziell nur abprallen können, also alles andere als „Tiefe“ besitzen. Sonderbarerweise ist dies jedoch - und diese Erfahrung kann jeder machen - nicht der Fall.  

Der “tiefere” Grund hierfür ist jedoch NICHT, dass ein Kunstwerk von vorn herein mit dem Anspruch auf die Bühne tritt, neben der unvermeidlichen Oberfläche auch einen (wie auch immer motivierten) Inhalt zu repräsentieren - auch jede X-beliebige Produktverpackung verspricht schließlich nichts anderes. Der Unterschied besteht vielmehr darin, dass es die Oberflächen SELBST sind, die bei einem Kunstwerk zum eigentlichen Inhalt werden.

Der Begrenztheit unserer zumeist nur auf Konsum ausgerichteten Gesellschaft entkommt der Künstler, indem er jeder Oberfläche, jeder Erscheinungsform, jedem verwendeten Material (auf einer symbolischen Ebene) AMBIVALENZEN (auch die des Lebens) zuspricht: Zum Wesen JEDER Kunstform gehört es darum auch, sich gerade eben nicht “dingfest” machen zu lassen, damit wieder den Blick zu weiten für ein naives (und damit zuallererst vorurteilsfreies) Wundern und Staunen.

Wer sich also seine dünne Haut zur Wahrnehmung eines Daseins bewahrt, welches als erste und wichtigste Erkenntnis im Kern alles andere als eindeutig oder unmissverständlich ist, hat gute Chancen darauf, ebenfalls zu einem schillernden Nervenbündel der Kunst zu werden.

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Alle diskutieren, was Kunst ist und was nicht - Auskunft erteilt nur die Kunst selbst.

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Über die Notwendigkeit, sich bei der Arbeit von Mitmenschen abzukapseln.